ᵠ Regie: Alexander Schröder / Kamera: Lena Fakler, Joachim Lutz, Alexander Schröder u. Viola Evang / Ton: Maryna Falkovych / Aufnahmeleitung: Sebastian Sommer / Philosophie: Zlatko Valentic / Philosophie Assistenz: Paul Schulmeister / Musik: Timo Klabunde


Thema

Angenommen [...], unsere Seele erreichte eine solide Ruhelage, in der sie, ihr gesamtes Wesen konzentrierend, ganz zu sich käme: dann müsste sie Vergangenheit und Zukunft gar nicht bemühen; Zeit zählte für sie nicht, denn dauernd wäre Gegenwart, ohne dass sich die Dauer freilich bemerkbar machte, ohne dass irgendwo sich ein Vorher und ein Nachher abzeichnete, und ohne das Gefühle entstünden wie Entbehrung oder Genuss, Freude oder Kummer, Verlangen oder Furcht. Wir hätten einzig das Gefühl zu existieren, dieses aber würde unsere Seele ganz erfüllen.
— Jean-Jaques Rousseau

In dieser Sendung gehen wir der Frage nach, in welche Beziehung der Mensch zur Welt treten muss, um jene Erfahrungen zu machen, die Rousseau im angeführten Zitat als das »Gefühl zu existieren« beschrieben hat.

Denn gerade in einer durch Beschleunigung und Steigerungszwang geprägten Welt, die uns mit ihren pausenlosen Optimierungsmöglichkeiten zuzuschütten droht, fällt es immer schwerer, jenen Zustand zu erreichen, in der Zeit keine Rolle spielt, in der es uns gelingt, ganz zu uns selbst zu kommen.

Wie wir auf den Weg gelangen, in ein angemessenes Weltverhältnis zu kommen, besprechen wir in dieser Sendung mit dem Sozialphilosophen Hartmut Rosa.

Literatur zur Sendung


Denken mit Hartmut Rosa

 
 

Damals, vor dem großen Kriege ... [w]enn das Feuer ein Haus aus der Häuserzeile der Straße hinweggerafft hatte, blieb die Brandstätte noch lange leer. Denn die Maurer arbeiteten langsam und bedächtig, und die nächsten Nachbarn wie die zufällig Vorbeikommenden erinnerten sich, wenn sie den leeren Platz erblickten, an die Gestalt und an die Mauern des verschwundenen Hauses. So war das damals! Alles, was wuchs, brauchte viel Zeit zum Wachsen; und alles, was unterging, brauchte lange Zeit, um vergessen zu werden. Alles aber, was einmal vorhanden gewesen war, hatte seine Spuren hinterlassen, und man lebte dazumal von den Erinnerungen, wie man heutzutage lebt von der Fähigkeit, schnell und nachdrücklich zu vergessen.
— Joseph Roth, Radetzkymarsch