Thema

Ich war meiner selbst entsetzt worden, ich versuchte die Buchseite in der umgekehrten Richtung zu durchdringen und mich wieder auf die Seite der Leser zu begeben, ich hob den Kopf, ich rief das Licht zu Hilfe: allein auch dies war eine Botschaft; wie würde man diese plötzliche Unruhe, den Zweifel, die Augen- und Halsbewegungen im Jahre 2013 interpretieren, wo man im Besitz der beiden Schlüssel sein würde, die mich öffnen konnten: Werk und Tod?
— Jean-Paul Sartre

In dieser Sendung nähern wir uns einem Philosophen, der mit seinem Engagement und seinem Denken ein Licht in die Dunkelheit auf die nackte Existenz geworfen hat, in einer Zeit, in der sich diese Dunkelheit wie ein erdrückender Schleier über die fassungslosen Köpfe der Menschen legte, die vor dem Trümmerhaufen des größten Kriegs der Menschheitsgeschichte standen. Alles Haben: die Ideologie, die Tradition, die Geschichte, die Werte, die Moral, die Nation, all dieses Haben verwandelte sich in ein reines Nichts. Nicht nur ein Nichts im Leben, sondern auch ein Nichts im Denken. Aus dieser Situation heraus entwickelte sich ein Denken, das trotz der Erschütterungen alles Seins, einen neuen Boden schaffen wollte – die Existenzphilosophie. Denn selbst wenn die Menschen alles verloren hatten, eines ist ihnen geblieben, die nackte Existenz. Hier setzt der Philosoph unserer heutigen Sendung an. Hier ist sein Ausgangspunkt zu finden. Hier entwickelte er ein Denken, dessen Strahlkraft bis in unsere Zeit wirkt – Jean-Paul Sartre.

Doch wir mussten bis zum Jahre 2013 warten – wie Sartre selbst in Die Wörter schilderte –, um die beiden Schlüssel 'Werk' und 'Tod' in den Händen zu halten, um Ihn letztlich zu öffnen. Jetzt ist es so weit. Wie wir Sartre öffnen können ? / Zu welchen Schlössern die Schlüssel passen und was uns der geöffnete Sartre heute zeigen kann? Diese Fragen möchte ich heute mit einem Gast besprechen, bei dem ich die Gelegenheit hatte und habe, selbst zu studieren und bei dem sich die Verbindung von Philosophie und Leben in jedem Seminar in einer Performance manifestiert – Martin Dornberg.



Denken mit Martin Dornberg


Literatur zur Sendung

 

Contat: Oft geben Sie auch übertrieben hohe Trinkgelder.
Sartre: Immer.
Contat: Das könnte den Empfänger peinlich sein.
Sartre: Da übertreiben Sie.
Contat: Aber Ihnen brauche ich doch nicht zu sagen, dass Gegenseitig möglich sein muss, wenn Grosszügigkeit nicht irgendwie demütigend wirken soll.
Sartre: Gegenseitigkeit ist nicht möglich, aber Freundlichkeit. Die Kellner im Café wissen es zu schätzen, dass ich große Trinkgelder gebe, uns sie vergelten es mir mit Freundlichkeit. Mein Gedanke dabei ist folgender: Sobald ein Mensch von unseren Trinkgeldern lebt, will ich ihm so viel geben, wie ich kann; denn ich meine, wenn schon ein Mensch von mir lebt, dann soll er gut leben.
— Jean-Paul Sartre im Gespräch mit Michel Contat

Aufnahme und Ausstrahlung: Radio Dreyeckland Freiburg. 

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